»Geboren bin ich zwar in Bonn, aber seit 1989/90 lebe und arbeite ich für die deutsche Einheit und bin längst in Dresden heimisch geworden.«

 

 

Mein Weg in die Politik

Am 21. Januar 1954 in Bonn geboren, erlebte ich mit meinen beiden Schwestern und meinem Bruder eine glückliche Kindheit. Nach dem Abitur entschloss ich mich, zunächst für knapp zwei Jahre zur Bundeswehr zu gehen. Anschließend begann ich ein Jurastudium in Münster. Dort trat ich dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten bei und schloss zahlreiche Bekanntschaften, durch welche 1983 meine politische Laufbahn beginnen sollte.

»Meine schärfste Kritikerin und die Frau meines Lebens«. Beim Empfang der Stiftung Deutsche Sporthilfe mit meiner Frau Martina im Jahr 2014.

Dass meine erste politische Anstellung als Redenschreiber von Richard von Weizsäcker der Auftakt für eine Reihe spannender und auch verantwortungsvoller politischer Ämter sein sollte, war mir natürlich keineswegs bewusst. Umso eindrucksvoller sind mir die Jahre 1990 bis 2004 in Erinnerung: Im Jahr 1990 wurde ich Mitglied der Verhandlungsdelegation für den deutschen Einigungsvertrag und wirkte aktiv an der Wiedervereinigung Deutschlands mit. Darauf bin ich sehr stolz. Anschließend erlebte ich in Mecklenburg-Vorpommern als Staatssekretär im Kultusministerium und Chef der Staatskanzlei und anschließend in Sachsen als Chef der Staatskanzlei, Finanz-, Justiz- und Innenminister den Aufbau der ostdeutschen Länder hautnah mit.

Bestehen in einer neuen Liga: Wie schnell sich ein Leben verändern kann, erlebe ich besonders intensiv im Jahr 2005: Angela Merkel bittet mich in einem Telefonat, Chef des Bundeskanzleramtes zu werden. Mir bleiben sieben Stunden Zeit, eine Entscheidung zu

Berlin: Traumjob im Kanzleramt mit turbulentem Start

Nachdem mich Angela Merkel im Jahr 2005 überraschend zum Chef des Bundeskanzleramtes ernannte, kehrte ich nach fünfzehn Jahren beruflich nach Berlin zurück – nun allerdings in die Bundespolitik. Der Unterschied zur Landespolitik, in der ich bisher tätig gewesen war, stellte für mich einen großen Wendepunkt dar. Die Vielzahl der neuen Aufgaben im Kanzleramt waren eine große Herausforderung, der ich mich dennoch gern stellte und durch die ich nicht nur politisch, sondern auch persönlich gewachsen bin.

Zeit für Neues: Vom Kanzleramt ins Innen- und Verteidigungsministerium
Nach der Bundestagswahl 2009 bot mir Kanzlerin Angela Merkel an, das Innenministerium zu übernehmen. Ich willigte gern ein, denn mich reizte die Themenfülle dieses Ressorts und die Möglichkeit, meine Erfahrungen als sächsischer Landesinnenminister nun auf Bundesebene einzubringen. So kam ich mit vielen Ideen und Plänen in das Ministerium, die sich auf die gesamte Legislaturperiode erstreckten. Doch diese sollte ich nicht im Innen-, sondern im Verteidigungsministerium beenden. Denn nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, entschied die Bundeskanzlerin, mich zu seinem Nachfolger zu ernennen.

Zurück im Innenministerium: Altes Amt, neues Haus
Seit der Bundestagswahl 2013 bekleidete ich das Amt des Bundesinnenministers zum zweiten Mal. Ich freute mich dabei ganz besonders auf den Umzug des Ministeriums in seinen Neubau nur unweit des Kanzleramts. Dass ich dieses Gebäude, für das ich vor vielen Jahren als Minister den Grundstein gelegt hatte, dann auch selbst als Minister einweihen und mit meinen Mitarbeitern beziehen konnte, macht mich sehr dankbar. Bis zum März 2018 durfte ich in diesem Haus sehr große und schwierige Themen mitgestalten, die unser Land nachhaltig geprägt haben und weiter prägen werden: die Flüchtlings- und Integrationspolitik, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die Digitalisierung mit all ihren Chancen und Risiken.

Rückzug aus der ersten Reihe
Jeder, der Minister wird, muss so arbeiten, als wäre seine Amtszeit unbegrenzt – und er muss die innere Einstellung haben zu wissen, dass es ein Amt auf Zeit ist. Nach der Bundestagswahl 2017 ist für mich die Zeit gekommen, nach zwölf Jahren Verantwortung als Bundesminister aus der Bundesregierung auszuscheiden. Ich bin sehr stolz und sehr dankbar, dass ich in drei bedeutsamen Ressorts diesem Land dienen durfte. Aber nach insgesamt 27 Jahren in verschiedenen Landes- und Bundesregierungen brauche ich kein Ministeramt mehr aus Karrieregründen. Daher bin ich im März 2018 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages von der Regierungsbank in die Reihen der „normalen“ Abgeordneten gewechselt.

1983

»In eine Regierungszentrale zu gehen [...] war exakt die Verbindung von Jura und Politik oder Wirtschaft, die ich gesucht hatte.«

Thomas de Maizière

1989/1990

»Die Monate bis zur Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 waren beruflich die anstrengendsten und zugleich spannendsten meines Lebens.«

Thomas de Maizière

1999

»Beeindruckend war für mich, auf welche Art und Weise Kurt Biedenkopf seine Aufgaben in Sachsen erfüllt. [...] Das Wort "Staatsdiener" erhält durch ihn eine ganz neue Bedeutung für mich.«

Thomas de Maizière

2005 

»Wenn die Bundeskanzlerin einen so etwas fragt, dann sagt man nicht nein«, war der Rat meines Vaters zum Angebot Angela Merkels, Chef des Bundeskanzleramts zu werden.«

Thomas de Maizière

2009 

»Wenn ich an ein und demselben Tag morgens in Brüssel über europäische Flüchtlingspolitik diskutiere und wenige Stunden später im Wahlkreis oder anderswo über den Mindestlohn oder Schulschließungen, dann spüre ich die ganze Bandbreite politischer Verantwortung.«

Thomas de Maizière

2011

»Ich habe keinen anderen Stil als mein Vorgänger, sondern ich habe meinen eigenen Stil«, antwortete ich den Journalisten als sie mich zur Amtsübernahme des Verteidigungsministers befragten.«

Thomas de Maizière

1954

Kindheit und Jugend – im Umzugswagen durch die Republik

Als jüngstes von vier Geschwistern werde ich am 21. Januar 1954 in Bonn geboren. Meine Mutter, Eva de Maizière, wurde Hauswirtschaftslehrerin und später Malerin und Bildhauerin. Eine von ihr gefertigte Skulptur steht bis heute auf meinem Schreibtisch.

Aufgrund des Berufes meines Vaters, eines Berufsoffiziers, muss unsere Familie häufig umziehen. Allein in meinen zehn ersten Lebensjahren heißen die Stationen Bonn, Hannover, Koblenz und Hamburg, bevor wir uns 1964 wieder in Bonn niederlassen.

Für mich, als Jüngsten, waren die häufigen Wohnort- und Schulwechsel kein so großes Problem. Vielleicht bin ich davon geprägt: Wechsel schaden nicht. Im Gegenteil: Der Beruf meines Vaters prägt auch meine Kindheit. Er wird nach Gründung der Bundeswehr 1955 Oberst im Verteidigungsministerium und später Generalinspekteur der Bundeswehr; er unterstützt die Einführung der Wehrpflicht und gilt als einer der »Väter« des Konzepts der Inneren Führung und des Staatsbürgers in Uniform. 1972 geht er in den Ruhestand, im gleichen Jahr mache ich Abitur.

Quelle: Privatarchiv Thomas de Maizière
Privatarchiv Thomas de Maizière
1972

Bundeswehr – zum ersten Mal auf eigenen Beinen

Nach dem Abitur verpflichte ich mich für knapp zwei Jahre bei der Bundeswehr. Meinen Dienst verrichte ich ab 1972 bei den Panzergrenadieren in Koblenz.

Der Wehrdienst findet unter ganz anderen Vorzeichen statt als der Dienst in der Bundeswehr 30 Jahre später. Wir befinden uns 1972 mitten im Kalten Krieg, zwei verfeindete Blöcke stehen sich gegenüber, die Bundesrepublik Deutschland ist kein voll souveräner Staat. Und dennoch ist es für mich 1972 undenkbar, dass sich der kalte zum heißen Krieg entwickeln könnte. Das Einsatzkonzept dieser Jahre lautet ja auch: »Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen«. Eine Einsatzwirklichkeit, wie es sie im vereinigten Deutschland geben wird, gibt es in den 70er Jahren nicht. Kurzzeitig überlege ich, ob Berufssoldat für mich eine Option ist, verwerfe dies jedoch recht schnell wieder.

Der Beruf meines Vaters – bei all meinen Handlungen würde ich mit ihm verglichen werden. So entschließe ich mich, meinen eigenen Weg zu gehen.

Quelle: Privatarchiv Thomas de Maizière
Quelle: Privatarchiv Thomas de Maizière
1974

Studium – Sturm und Drang im RCDS

Nach meinem Wehrdienst entschließe ich mich 1974, ein Jurastudium in Münster aufzunehmen. Direkt nach Studienbeginn werde ich Mitglied im Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Dort lerne ich viele Freunde kennen, die in meinem späteren Leben noch eine entscheidende Rolle spielen sollten.

RCDS – das ist für mich, so wie für viele andere Studenten, eine Möglichkeit, das »politische Handwerk« zu erlernen - und zwar so, wie es auch verstanden werden sollte. Im RCDS wird Politik ganz praktisch gemacht – in den Gremien der studentischen und universitären Selbstverwaltung, nicht nur in Vorständen und Arbeitsgruppen. Im RCDS muss man sich von Anfang an mit Argumenten und Wissen durchzusetzen lernen – gegenüber den Professoren, der Verwaltung und den politischen Konkurrenten.

Insofern ist der RCDS für mich eine wunderbare politische, aber eben auch eine Lebensschule. RCDS – das ist für mich auch ein Freundeskreis geworden, der weit über das Politische hinausgeht. Dort finde ich echte Freunde fürs Leben. Auch das zeigt, dass der RCDS eben ein ganz besonderes Selbstverständnis hat. Hier findet man persönliche Freundschaften, nicht nur politische. Und hier findet man eine Kultur des Miteinanders, die sonst leider in der Politik manchmal fremd ist.

Quelle: Privatarchiv Thomas de Maizière
Quelle: Privatarchiv Thomas de Maizière
1983

West-Berlin – geteilte Familie in geteilter Stadt

1983 beginne ich als Redenschreiber für den Berliner Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker. In eine Regierungszentrale zu gehen und dazu zu solch einem bedeutenden Chef, ist nicht nur spannend, sondern genau die Verbindung von Jura und Politik oder Wirtschaft, die ich interessant finde.

Von Weizsäcker ist ein strenger Chef, streng mit sich und mit seinen Mitarbeitern. Ein Redenschreiber ist auch ein intellektueller Sparringspartner für ihn. Ich lerne viel von Richard von Weizsäcker – den Umgang mit Sprache und das Zugehen auf Menschen.

Nach nur knapp einem Jahr tritt von Weizsäcker zurück, um sich auf seine Wahl zum Bundespräsidenten zu konzentrieren. Er äußert den Wunsch, mich nach Bonn mitzunehmen, doch ich sage ab, aus einem ganz menschlichen Grund: ich habe die »Frau fürs Leben« gefunden. So bleibe ich auch nach Weizsäckers Wahl zum Bundespräsidenten in Berlin und werde Chef eines Planungsstabes in der Senatskanzlei und enger Mitarbeiter des neuen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen.

Mit der Niederlage bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Februar 1989 endet zunächst die erste Ära Diepgen in Berlin. Zu diesem Zeitpunkt ahnen wir nicht, dass das nur vorübergehend sein sollte. In der Zeit der Opposition werde ich Diepgens Pressesprecher in Partei und Fraktion, zunächst eine recht trostlose Aufgabe, doch dieser Zustand hält nicht lange an. Die Oppositionsrolle ermöglicht es Eberhard Diepgen und mir, von der Öffentlichkeit relativ unbeobachtet, 1989 erste Kontakte nach Ost-Berlin und in die DDR zu knüpfen, wo die Oppositionsbewegung wächst.

Mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen und Heinz Galinski, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, in Yad Vashem, 1985. Quelle: Privatarchiv Thomas de Maizière
1989/90

Einigungsprozess – ohne Schlaf und dennoch glücklich

Am 9. November 1989 fällt in Berlin die Mauer. Es dauert von da an nicht einmal 11 Monate und die DDR ist Geschichte. Mein Ost-Berliner Vetter Lothar de Maizière (unsere Väter waren Brüder) wird im November 1989 Vorsitzender der dortigen CDU.

Er bittet mich, ihn in der Folgezeit als Berater zu unterstützen. Von Eberhard Diepgen freigestellt verlege ich meinen Arbeitsplatz von West- nach Ost-Berlin. Als Lothar de Maizière im April 1990 Ministerpräsident der DDR wird, unterstütze ich ihn beim Aufbau des Amtes des Ministerpräsidenten und später als Mitglied der Verhandlungsdelegation für den Einigungsvertrag. Ziel der DDR-Seite ist es, mit Hilfe des Einigungsvertrages die DDR-Bürger in Würde und mit möglichst vielen Rechten in ein vereintes Deutschland zu führen. Ein Kraftakt unter den Vorzeichen: Zeitknappheit, Themenfülle und chronischer Schlafmangel.

Die Monate bis zur Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 sind beruflich die anstrengendste und zugleich spannendste Zeit meines Lebens. »Die Größe der Aufgabe, dieser spezielle Moment, an Geschichte mitzuwirken, das war ein so positiver Stress und hat eine solche Befriedigung ausgelöst, dass Belastung – Schlafmangel und so – einfach keine echte Rolle spielte.«1

1Thomas de Maiziere: Damit der Staat den Menschen dient. Siedler Verlag 2013; S. 140

Quelle: Hans-Joachim Rickel
Quelle: Hans-Joachim Rickel
1990

Mecklenburg-Vorpommern – wie ich vom Beamten zum Politiker wurde

Nach dem Vollzug der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 ist klar, dass ich weiter am Aufbau der ostdeutschen Länder arbeiten möchte. Ich erhalte das Angebot, in Mecklenburg-Vorpommern Staatssekretär im Kultusministerium zu werden und entschließe mich, mit meiner Frau und unseren zwei kleinen Kindern nach Schwerin zu ziehen, wo wenige Jahre später unser drittes Kind geboren wird.

Meine Hauptaufgabe im Ministerium ist es, die Durchführung des Unterrichts sicherzustellen sowie die Schulen, die Hochschulen und das Kindergartensystem umzubauen, möglichst viel Kultur zu erhalten und die Kinderbetreuung und Jugendarbeit zu sichern. Eine Mammutaufgabe. Verfassen neuer Lehrpläne, Anwerben von Lehrern für so genannte Mangelfächer wie Englisch, Bezahlung der Lehrer, Renovierung maroder Schulgebäude, Stasi-Überprüfung der Lehrer, beginnender demografischer Wandel – es ist ein Auf- bzw. Umbau von allem. Und so, wie der Wandel jeden Bereich des Lebens in Mecklenburg-Vorpommern betrifft, betrifft er auch jeden Bereich von Schule, Kinderbetreuung, Kultur, Jugend und Sport. Man kann und muss in diesen Anfangsjahren viel bewegen, Neugier und Leidenschaft sind die Triebfedern des Handelns.

1994 werde ich unter Ministerpräsident Berndt Seite Chef der Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern. Meine Aufgabe ist es, die Arbeit der Großen Koalition zu koordinieren, eine Tätigkeit, die ich 15 Jahre später noch einmal auf anderer politischer Ebene ausfüllen sollte.
1998 verliert die CDU in Mecklenburg-Vorpommern die Wahl und ich damit meinen Job. Ich werde erst einmal Hausmann, kümmere mich um unsere drei Kinder und den Haushalt. Einige Monate später erhalte ich einen Anruf aus Dresden …

Schwerin im Februar 1991: Staatssekretär im Kultusministerium von Mecklenburg-Vorpommern. Quelle: Reinhardt Janke (mit freundlicher Genehmigung von Marlies Borcherding)
1999

Dresden – wie Sachsen meine Heimat wurde

Das Angebot, in Dresden unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf Chef der Staatskanzlei zu werden, kommt Anfang 1999. Dazu muss zunächst jedoch die Wahl im Herbst gewonnen werden, was angesichts der guten Umfrageergebnisse nicht unwahrscheinlich scheint.

Die Monate bis zur Wahl erhalte ich die Aufgabe, die Verhandlungen zum Solidarpakt II vorzubereiten, durch den Milliarden zum Aufbau der ostdeutschen Länder in den Osten fließen. Auch nach der gewonnenen Landtagswahl und meiner Übernahme des Amtes des Chefs der Staatskanzlei führe ich diese Aufgabe als eine Art Verhandlungsführer für die ostdeutschen Länder fort. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen sind etwas, auf das ich stolz bin in meiner politischen Laufbahn.

Unter Kurt Biedenkopf blüht das wiedergegründete Sachsen auf. Beeindruckend für mich ist, auf welche Art und Weise er seine Aufgaben erfüllt und wie er mit »seinen« Sachsen spricht. So hört man beispielsweise ein »ich« in all seinen Reden selten. Er handelt immer unter dem Motto: »Wir schaffen das zusammen und ich bin froh, dass ich euch helfen darf«. Das Wort »Staatsdiener« erhält durch ihn eine ganz neue Bedeutung.

Noch unter Biedenkopf wechsele ich 2001 in das Amt des Finanzministers, 2002 werde ich nach dem Rücktritt von Kurt Biedenkopf Justizminister in der Regierung von Georg Milbradt und nach den Landtagswahlen im Herbst 2004 Innenminister. Zu dieser Wahl trete ich im Wahlkreis Bautzen als Landtagskandidat für die CDU an und bin, ausgestattet mit dem Mandat meiner Wähler, von 2004 an Abgeordneter im Sächsischen Landtag. Für mich ist dies eine ganz neue, schöne und interessante Erfahrung, ist doch Sachsen für meine Familie und mich längst zur Heimat geworden. Längst sind wir nach Dresden gezogen. Alle meine Kinder haben ihr Abitur in Sachsen gemacht.

Doch dieses Mandat und mein Amt als Innenminister kann ich nur ein Jahr ausüben, dann erreicht mich wiederum ein wichtiger Anruf, der meinen weiteren beruflichen Lebensweg betreffen wird – dieses Mal aus Berlin.

Als neuer Chef der sächsischen Staatskanzlei auf einer Ministerpräsidentenkonferenz 1999, gemeinsam mit Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und Regierungssprecher Michael Sagurna. Quelle: Privatarchiv Thomas de Maizière
2005

Berlin – zurück, in einer anderen Liga

Das Jahr 2005 wird ein turbulentes. Nach einer für die SPD verlorenen Landtagswahl im Mai entscheidet sich der amtierende Bundeskanzler Gerhard Schröder, Neuwahlen anzustreben. Die Wahlen gewinnt die CDU/CSU knapp, Angela Merkel wird Bundeskanzlerin und die Republik wird fortan von einer Großen Koalition regiert.

Angela Merkels Bitte, die Arbeit der Großen Koalition als Chef des Bundeskanzleramtes zu koordinieren, komme ich nach kurzer Bedenkzeit nach. Doch eines steht für meine Familie und mich fest: Nach Jahrzehnten der Umzüge wollen wir in Dresden endgültig sesshaft bleiben und beschließen, dieses Mal nicht mit der ganzen Familie nach Berlin zu ziehen, sondern in Dresden wohnen zu bleiben. Eine klassische Wochenend-Ehe führen wir für die kommenden Jahre – wie so viele Paare in Deutschland.

Die neue Aufgabe ist für mich wie ein Spiel in einer anderen Liga. Die Fülle und Internationalität der Themen, der Umgang mit den Medien, die Befindlichkeiten der Fraktionen, Landes– und Bundespolitik und das ganze Drumherum sind durchaus verschieden, dazu das herausfordernde Amt des Chefs des Bundeskanzleramts. Ich brauche eine Weile, um mich einzuarbeiten, und das ist angesichts der Probleme, die auf uns in den nächsten vier Jahren zukommen sollten, auch bitter nötig.

Der Kampf gegen die Weltfinanzkrise, die Opel-Rettung, Gesundheits- und Föderalismusreform mit der historischen Schuldenbremse, der Umgang mit Terrorverdächtigen – die Jahre 2005 – 2009 sind gespickt mit Themen, die wir 2005 nicht erwartet hatten und die wir unter der Führung einer besonnen agierenden Kanzlerin Angela Merkel in einer Großen Koalition in den Griff bekommen.

Quelle: Hans-Joachim Rickel
2009

Bundesinnenministerium und Bundestag – mein neuer Platz in Ministerium und Parlament

Nach der gewonnenen Wahl im Herbst 2009 geht die CDU/CSU unter Angela Merkel in eine Koalition mit der FDP. Für mich bedeutet dies, dass ich von nun an als Bundesinnenminister zuständig sein werde für eine Fülle von Themen – öffentliche Sicherheit, Migration und Integration, öffentlicher Dienst, Ehrenamt, Verwaltung, Sport, Kirchen und Katastrophenschutz.

Meine allererste Bundestagsrede als Bundesinnenminister am 11. November 2009 im Berliner Reichstag trägt die Überschrift: »Wir wollen ein Land sein, das zusammenhält.« So verstehe ich die Aufgabe eines Innenministers – für den inneren Zusammenhalt des Landes Sorge tragen. Damit sich die Menschen in unserem Land wohlfühlen, ist vieles notwendig: Sicherheit und Ordnung sowie Integration von Zuwanderern genauso wie Religionsfreiheit und das Ehrenamt halten unsere Gesellschaft zusammen.

Ebenfalls seit 2009 bin ich direkt gewählter Abgeordneter des Landkreises Meißen im Deutschen Bundestag. Eine Aufgabe, die für mich eine sehr große Bedeutung hat. Sie ist in gewisser Art eine Symbiose zwischen den Menschen im Wahlkreis und mir. Auf der einen Seite habe ich für »meine« Meißner in Berlin viel erreicht. Nach so vielen Jahren in Landes- und Bundespolitik bin ich gut vernetzt und nutze das zum Wohl der Sachsen. Auf der anderen Seite ist die Begegnung mit den Menschen in meinem Wahlkreis sehr wichtig für mich. Sie erdet mich, zeigt mir, wo der Schuh der Menschen drückt. Wenn ich an ein und demselben Tag morgens bei einem Gipfel der europäischen Innenminister in Brüssel über europäische Flüchtlingspolitik diskutiere und wenige Stunden später im Wahlkreis oder anderswo über den Mindestlohn oder Schulschließungen, dann spüre ich die ganze Bandbreite politischer Verantwortung.

Quelle: Bundesbildstelle
2011

Bundesverteidigungsministerium – mehr als nur ein Amt

Als im März 2011 Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zurücktritt, ist die Kanzlerin in der Pflicht, schnell einen Nachfolger zu finden. Denn eines ist klar: Die notwendige Neuausrichtung der Bundeswehr wird ein Mammutprojekt werden, das unsere Streitkräfte fit machen soll für die kommenden Jahrzehnte und die Bundeswehr in unserer Gesellschaft neu verankern soll.

Nach kurzem Zaudern sage ich ihr zu, das Amt zu übernehmen. Ich bin bis dahin sehr gern Innenminister gewesen und mit vielen Plänen in das Amt gestartet, das ich im März 2011 nach nur 15-monatiger Amtszeit abgeben muss. Aber so wie im Fußball der Trainer die Mannschaft aufstellt, so stellt in der Politik die Kanzlerin ihr Kabinett zusammen. Das neue Amt wird Lust und Last zugleich. Lust – weil die Arbeit mit den Soldaten und Zivilbeschäftigten der Bundeswehr etwas sehr Beeindruckendes ist. Lust auch, weil die von uns konzipierten und beschlossenen Schritte der Neuausrichtung bis zu meinem Weggang aus dem Amt beginnen, erste Früchte zu tragen. Last – weil mit der direkten Verantwortung für Menschen eben auch sehr belastende Aufgaben einhergehen.

So verlangt die Neuausrichtung den Soldaten vieles ab. Standorte werden geschlossen, viele Soldaten müssen mit ihren Familien umziehen, viele pendeln. Dazu kommt, dass es im Beruf des Soldaten oder der Soldatin häufig um Leben und Sterben geht. Die Trauerfeiern für gefallene Soldaten und die Gespräche mit den trauernden Angehörigen gehören für mich zu den einschneidendsten Erlebnissen meines Lebens. Ich bin gerne wieder Innenminister. Aber die Erfahrungen als Chef des Bundeskanzleramtes und Verteidigungsminister möchte ich nicht missen.

Quelle: Hans-Joachim Rickel
2013

Bundesinnenministerium – zurück im BMI

Dieses wichtige und schöne Amt bekleide ich seit der Wahl 2013 zum zweiten Mal. Neben den vielen Themen, die mir schon aus meiner ersten Amtszeit von 2009 bis 2011 vertraut sind, ist dabei auch einiges an neuen Aufgaben hinzugekommen: Die Digitalisierung und die damit verbundenen Anforderungen an die Sicherheit unserer IT-Systeme sowie die Aufnahme, Unterbringung und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen haben Herausforderungen geschaffen, die heute zu den Schwerpunkten meiner Arbeit als Bundesinnenminister gehören.

Quelle: Hans-Joachim Rickel
2015

Das neue BMI im Herzen Berlins

Seit dem Jahr 2015 kümmern meine Mitarbeiter und ich uns um die vielen Themen des Bundesinnenministeriums an seinem neuen Standort in Berlin-Mitte. Für mich war es übrigens ein ganz besonderer Umzug, denn vor Jahren habe ich selbst - damals noch während meiner ersten Amtszeit als Bundesinnenminister - den Grundstein für dieses Gebäude gelegt. Dass ich es nun wiederum als Minister beziehen konnte, hat mich persönlich froh und auch ein bisschen stolz gemacht.

Das neue Gebäude des BMI - direkt zwischen Bundeskanzleramt und Hauptbahnhof gelegen (Foto: Hans-Joachim Rickel).
2018

Abschied aus der Bundesregierung

Ein Ministeramt ist immer ein Amt auf Zeit. Das war mir immer bewusst. Denn in der Politik gilt: Erst das Land, dann die Partei, dann die Person. Nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD im Frühjahr 2018 habe ich deshalb erklärt, dass ich der neuen Bundesregierung nicht mehr angehören werde. Als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter meines wunderbaren Wahlkreises Meißen vertrete ich weiterhin mit starker Stimme dessen regionale Interessen in Berlin.

2021

Abschied aus der Politik

Mit dem Beginn der neuen Legislaturperiode 2021 bis 2025 bin ich freiwillig aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden. Ich hatte mich entschlossen, nicht wieder zu kandidieren. Es war mir eine Ehre, diesen wunderbaren Wahlkreis im Elbtal Sachsens dreimal direkt gewonnen zu haben und die Interessen der Menschen in Berlin vertreten zu können. Meine Verbundenheit zu den Menschen, Städten, Gemeinden, Unternehmen und Vereinen im Landkreis Meißen wird bleiben.